DER ARME KONRAD (1896) Redaktion: Albert Weidner – PROGRAMMTEXT

WAS WILL DER ARME KONRAD?

 

Als nun vor beinah vierhundert Jahren der Uebermut des Adels, der Besitzenden und Herrschenden dermaßen ins Ungeheure gewachsen war, daß der gemeine Mann, das schutz- und rechtlose Opfer ihrer unersättlichen Raubgier, über seine Lage nachzudenken und an der Notwendigkeit der – wie man ihm sagte – von Gott geordneten Zustände zu zweifeln begann, da erstand, einem kleinen, unscheinbaren Keim entwachsend, der „arme Konrad“,  jener gewaltige, so gehaßte und gefürchtete Bund der Unterdrückten, der unter der Maske losen Scherzes und harmlosen Spiels ein bitter-ernstes und erhabenes Ziel anstrebte.

Jahrhunderte sind seitdem verflossen.

Was den Anhängern jenes armen Konrad dunkel und von religiöser Schwärmerei und damaligen Anschauungen beeinflußt, als Ziel vorschwebte, eine in Freiheit und Glück lebende Menschheit, das ist auch dasjenige, dem dieses Blatt, „Der arme Konrad“, die Wege ebnen will, indem es ihm in den Köpfen der arbeitenden und doch besitzlosen Bevölkerung Eingang verschafft.

Seht den von schwerer Arbeit niedergebeugten Proletar, wie ihn unser Titelbild zeigt. Vor Sonnenaufgang hat er sich vom harten Lager erheben müssen, um den Boden zu hacken, der ihm nicht gehört, dessen mit seinem Schweiß gedüngte Früchte einen andern erquicken und bereichern werden. Einen Augenblick der Ruhe nur gönnt sich der Proletar auf unserem Bilde: düster und ernst blickt er auf die fern aufgehende Sonne! Wir lesen in seinen herben, durchfurchten Zügen: möchte doch auch bald uns Armen, die wir ewig im Dunklen stehen und uns emporsehnen zum Licht, die Sonne aufgehen.

Der „arme Konrad“ will eine für Jeden verständliche Sprache reden, er will seine Schicksals- und Leidensgenossen dort aufsuchen, wo sie zu Hause sind, in den Mühsalen ihres Kampfes ums Dasein; er will von Herzen kommend, zu Herzen gehend, zu ihnen sprechen.

Den in der langen, schier endlosen Nacht des Elends sich dahinschleppenden Brüdern will er den nahenden Tag ihrer Befreiung ankündigen.

Den nach einem Ausweg aus dem Sumpf der gesellschaftlichen Verkommenheit sich Umschauenden will er eine Fackel sein, ihnen den Weg zu weisen und ihre Herzen zu entzünden zum freien Aufstreben, entgegen dem Lichte der Freiheit.

Die Lüge, den Zwang, die Ausbeutung will er mit unversöhnlicher Festigkeit bekämpfen.

Die Heuchelei, den Betrug, die hohle Eitelkeit, das gewissenlose Strebertum will er entlarven und mit unbarmherzigem Hohn geißeln.

Die Dummheit, das Vorurteil und den Fanatismus will er ausrotten.

Die Unselbständigkeit, den Herdensinn will er austreiben.

In denjenigen, die nur Menschen heißen, will er den Menschen wecken.

Und wenn der „arme Konrad“ nur in bescheidener Größe und mit leeren Taschen auf dem Kampfplatz erscheint, so bringt er doch etwas mit, was ungleich schwerer wiegt und ihm die unerschütterliche Zuversicht eines fruchtbaren Wirkens giebt: ein begeistertes Herz und einen festen Willen!

An euch, ihr Arbeiter, die ihr das, was der „arme Konrad“ anstrebt, versteht und billigt, ist es nun, ihn zu verbreiten und ihm durch Abonnement und auch gelegentliche Beisteuer die Möglichkeit zu geben, das Ziel zu erreichen, dem er zustrebt: Die Freiheit und das Glück aller Menschen!

 

Quelle: Leitartikel der 1. Nummer der Zeitschrift DER ARME KONRAD, 1896.

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